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brief von dr. diefenbach ( lav-vize in hessen )
24.07.2013, 10:47 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 26.07.2013 15:19 von Gunnar Müller.)
Beitrag: #1
brief von dr. diefenbach ( lav-vize in hessen )
morgen kollegen,
dr. diefenbach, einer der unterzeichner des antwortbriefes an fs, hat auch einen eigenen brief verfaßt, der morgen in der printausgabe der daz erscheinen wird.
wir dürfen ihn vorab schon lesen.
da wird mancher staunen.....

Konstrukt ABDA weit-gehend zu überholen

Zu den offenen Briefen der "Protest-Apotheker" vom 15. und 19. Juli und der Antwort von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt vom 17. Juli 2013.

Der Zwist zwischen dem ABDA-Präsidenten und einer immer größeren unzufriedenen Basis erfordert eines: Handeln. Nicht erst am Apothekertag, sondern bereits in den nächsten Wochen. Die Kolleginnen und Kollegen, die sich in den offenen Briefen der letzten Tage äußern, haben nämlich eines: Angst um ihren Arbeitsplatz, um ihre Existenzen, um ihre Zukunft. Diese Realität scheint am Präsidenten vorbeizulaufen. Man möchte nicht auf ein Leitbild 2.0 warten, wenn der Apotheker 1.0 nicht einmal definiert ist. Was man heute (so auch ich) mit großer Verärgerung feststellt: Es wird ein Berufsbild für die Zukunft fabriziert, das die Frage aufwirft: Was taten wir eigentlich in den letzten 20 Jahren? Haben wir die ganze Zeit nicht oder falsch die Arzneimitteltherapie durchgeführt?

Fakt ist doch: Es gibt jedes Jahr was Neues, jetzt AMTS. Machen dies viele nicht schon lange? Rettet sich die Führung nicht ein weiteres Mal auf eine Wolke, die dann im Nirvana der Kassenpolitik verschwindet? Wir werden seit Wochen, dies ist bereits mehrfach ausgeführt, von den Krankenkassen in eine Rolle gedrängt, die einen schaudern lässt. Es gibt so Naive die glauben, dass die Kassen nur Wahlkampf betreiben, wenn sie uns die "pharmazeutischen Bedenken" vorgeben wollen, wenn man über "neue" Wege der Versorgung nach der Wahl im Bund sinniert (so der GKV-Spitzenverband). Wenn Medikamentenbusse durch die Region rollen, per Ferntherapie die Medikation erfolgt: Da braucht keiner den freundlichen positiven Apotheker 2.0.

Unser Weg MUSS sein: Zunächst weg mit der Doppel-EDV für Pharmazeuten und Mediziner. Die Infos, was geht und was nicht, müssen die gleichen sein. Dann Abschaffung des Fertigarzneimittels in der Verordnung, soweit möglich und her mit dem Wirkstoffnamen. WIR wählen aus. Ohne wenn und aber. WIR streben die Budgetverantwortung an. DAZU brauche ich einen Wirtschaftsfachmann ganz oben, der mit dem DAV-Vorsitzenden (egal wie viele AVs es dann noch gibt) die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen absteckt. Dann wird mit den Krankenkassen auf Augenhöhe geredet. Wenn wir Budgets mitbestimmen und mittragen, ist unsere Macht anders. Dann bleibt auch viel mehr Raum für Pharmazie. DAS wollen die Kollegen. Daraus ergibt sich eine andere Vergütung. Es ist grotesk, wenn man nach acht Jahren die 25 Cent als Riesenhit feiert. Es ist zwar nett dass wir sie haben, aber bereits die Tariferhöhung dürfte doch vielen Apotheken etliches wieder nehmen, was es als Zuschlag jetzt gibt. Und im politischen Raum gilt, dass eine Wirtschaftsmacht dann anders zu behandeln ist, als es momentan geschieht.

Wir stehen im Augenblick als Centfuchser da, als Rabatthändler und eben als Gruppe, die viele für überflüssig halten. Unsere Führung brachte es bis heute nicht fertig, auf alle die guten Dinge zu verweisen und die Dinge darzustellen, die wir seit Jahrzehnten machen wie niemand anders: Die Medikationsregime, die viele vor Ort positiv entwickeln, mit Patient und Arzt zusammen, die ordnungsgemäße Versorgung und Handhabung rund ums Arzneimittel eben. Trivialer Sachverhalt, irrsinnig schwer zu leben. Dazu braucht man keine 2.0-Position; soll doch die Führung endlich so drastisch darlegen WIE gut wir sind, dass ein Herr Trittin – als Coach von Großunternehmen? – keine Kettenphantasien braucht, dass Herr Spahn seine Medibusse auf der Spielzeugeisenbahn lässt und die Regierungskoalition an uns nicht vorbeikommt – mit neuen Modellen der Versorgung z. B. Solange jeder Jurist oder Soziologe oder Pädagoge in unseren Leitbildern herumfummelt, wird es nichts mit 2.0!

Wir wollen das Rückgrat ganz oben sehen, das wir vor Ort ja auch beweisen. Ich gehe allerdings davon aus, dass hierzu das Konstrukt ABDA eben weitgehend zu überholen ist! Dies zeigt sich übrigens an der unbefriedigenden Aufarbeitung von El Pato (auf eine Entschuldigung der Führung zu dieser Schlamperei warten wir alle noch heute) genauso wie an der Haushaltssachlage der letzten Zeit. Wer 150.000 Leute vertritt und Milliardenbeträge im Arzneimittelbereich realisiert, muss andere Ellenbogen haben. Dass es so nicht mehr geht wie eben – dies merken täglich mehr Kollegen. Vielleicht wählen auch mal wieder mehr als peinliche 40 oder 49 Prozent, wenn "Unten" und "Oben" die gleiche Sprache reden. Dazu darf aber nicht geschwiegen werden, weil Urlaub ist. Das ist eigentlich frech! Weil es um Zukünfte von Tausenden geht. Ich verstehe die Anliegen der "Protestler" (den Begriff lehne ich eigentlich ab, da die Dinge ja mehr als berechtigt sind) mit ganz wenigen Ausnahmen, die aber betriebs-internen Charakter haben, sehr gut. Ich trage das mit.

Dr. Hans R. Diefenbach, Rosen Apotheke, 63065 Offenbach

inzwischen: DAZ 2013 v. 25.07.2013, Nr. 30, S. 71
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